Wir können heute nicht sagen, wieviel Wirtschaftswachstum diese Rezession kosten wird: Denn wir sehen bereits deutlich, dass die großen Wirtschaftsblöcke global völlig unterschiedlich mit der Coronakrise umgehen – und das wird sich direkt auf die Schwere und Dauer der wirtschaftlichen Kontraktion auswirken. Mittlerweile gibt es in der Wissenschaft einige Prognosen zur Coronakrise – wohl eine der fundiertesten und zugleich grimmigsten ist jene des Imperial College in England (Link), die den britischen Premier Boris Johnson letztendlich zum Einlenken gebracht hat und auch die USA wachgerüttelt hat. Denn die wirtschaftlichen Folgen einer Laissez-faire Politik im Umgang mit dem Virus wären verheerend.

In den wirtschaftlichen Prognosen können wir uns an China orientieren. Schätzungen gehen davon aus, dass China im ersten Quartal einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts von 12 bis 15 Prozent zu verkraften hatte. Während dieser drei Monate wurde die Wirtschaft wurde auf 20 Prozent Kapazität heruntergefahren. Vor knapp einem Monat wurde mit der Wiederherstellung der Normalisierung begonnen und wir stehen nun (je nach Quelle) bei Kapazitätsauslastungen von 40 bis 60 Prozent.

Wirtschaftsdaten China
Tiefpunkt der Coronakrise („Trough”) und letzter Stand („Latest”, per 24.3.2020),
jeweils in % des Vorjahres (2019)

Prognosen für das Wirtschaftswachstum Chinas 2020 schwanken mittlerweile zwischen null und drei Prozent (gegenüber den ursprünglichen Wachstumsziel von sechs Prozent, Quelle: Forbes). Die Zahlen werden deshalb laufend nach unten revidiert, weil China nun vor der Herausforderung steht die Wirtschaft hochzufahren, während die globale Nachfrage nun durch die Pandemie zum Erliegen kommt. Genau dieses Muster in der wirtschaftlichen Entwicklung werden wir alle zu spüren bekommen.

Österreich & EU

Österreich hat, wohl unter dem Eindruck der Tragödie bei unserem Nachbarn Italien, früh rigoros reagiert. Dabei wurden gleichzeitig zwei Bereiche mit Schulterschluss aller Entscheidungsträger der Republik in Angriff genommen:

  1. Maßnahmen des Gesundheitssystems: Eindämmung der Ausbreitung, Vorsorge in den Ressourcen
  2. Wirtschaftliche Unterstützungspakete, die in Volumen (38 Milliarden Euro, das entspricht zehn Prozent unserer Wirtschaftsleistung!) und Breite (Bereitstellung von Liquidität für Unternehmen, großzügige Kurzarbeitslösungen, direkte Unterstützung zur Solvenz von Kleinunternehmen) wirklich bemerkenswert sind.

Wie wir aus den Erfahrungen in Asien lernen, sind möglichst umfassende Tests neben Social Distancing der wesentlichste Erfolgsfaktor für eine nachhaltige Eindämmung des Virus. Das und die weniger ausgeprägte staatliche Überwachung (beispielsweise durch Apps) sind Faktoren, die Fortschritte bei der Bekämpfung des Virus möglicherweise konterkarieren werden.

Gehen wir von einem optimistischen Szenario aus, so schaffen wir in Österreich vielleicht die Coronakrise innerhalb der nächsten drei Monate zu bewältigen. Damit wären wir in einer Liga mit Südkorea – also durchaus ambitioniert! Das würde auf jeden Fall eine schmerzhafte Rezession über zwei Quartale hinweg bedeuten. Österreich wird aber nicht alleine aus einer Rezession klettern können, denn wir sind eine weit offene Volkswirtschaft mit hoher Exportquote und hoher Wertschöpfung im Tourismus: Wir sind also stark davon abhängig, wie gut unsere wichtigsten Wirtschaftspartner die Krise meistern, also wie gut die EU mit der Krise umgeht. Und das gibt leider weniger Anlass zum Optimismus: Nicht nur behauptet sich wieder einmal das nationalistische Denken in einem Fleckerlteppich von Maßnahmen, es gibt auf wirtschaftlicher Ebene anscheinend überhaupt kein Verständnis dafür, dass Solidarität in unser aller Interesse ist. Die EU erweist sich bislang in dieser Krise leider einmal mehr als nicht handlungsfähig. Die Last ruht – wie immer – auf den Schultern der EZB. Die kann (und wird) zwar die Zinsen stützen und nötige Liquidität für Wirtschaft und Staaten bereitstellen, aber damit wird kein Wirtschaftswachstum generiert – es wird lediglich der Supergau abgewendet.

Als eines der ersten renommierten Wirtschaftsinstitute hat das Institut für Weltwirtschaft in Kiel (IfW) eine Prognose für Deutschland erstellt (Link): Man rechnet heuer mit einem Konjunktureinbruch von bis zu neun Prozent. Umgelegt auf Österreich bedeutet das, dass die bevorstehende Rezession in der Dimension wohl noch tiefer wird als die große Finanzkrise, einfach weil die Wirtschaft brach liegt. Wir reden also von einem Einbruch zwischen fünf und zehn Prozent in kürzester Zeit (innerhalb von zwei Quartalen). Gerade der Zeitfaktor könnte aber diesmal wertvoll in der Erholung sein: Ein rascher Aufschwung wird zwar die Verluste nicht gleich wettmachen, aber immerhin könnten Kapazitäten schnell wieder hochgefahren werden. Allerdings abhängig davon, dass die medizinische Krise tatsächlich in zwei Quartalen erfolgreich bekämpft werden kann. Diese Dynamik verdeutlicht ein optimistisches Szenario (der gegenwärtige Lockdown dauert nur bis Ende April), das das IfW ebenfalls lieferte: In diesem Fall würde das BIP lediglich um 4,5 Prozent zurückgehen.

Rest der Welt

Wenden wir uns Großbritannien und den USA zu, so ist die Ausgangslage wesentlich schlechter: Die politische Führung hat die Gefahr des Coronavirus viel zu lange unterschätzt und wertvolle Zeit zur Eindämmung des Virus verstreichen lassen. Darüber hinaus ist vor allem in den USA überhaupt kein Auffangnetz für die medizinische Versorgung der Bevölkerung gegeben: 30 Millionen Amerikaner haben überhaupt keine Gesundheitsversicherung (davon sechs Millionen „illegale“ Immigranten, Quelle: CBO), weitere 38 Millionen werden als „ungenügend“ versichert eingestuft, 58 Millionen Amerikaner sind Teil der Gig-Economy – also quasi Freelancer. Was diese Zahlen beim Bemühen um eine Eindämmung des Coronavirus bedeuten, kann man sich ausmalen. Darüber hinaus ist die Struktur der Wertschöpfung stark konsum-lastig. Studien gehen deshalb davon aus, dass Amerika wahrscheinlich länger brauchen wird, um aus der Krise herauszukommen, und die Krise möglicherweise schärfer sein wird als in Europa oder Ostasien. So geht Morgan Stanley in einer aktuellen Aussendung beispielsweise von 12,8 Prozent Arbeitslosigkeit und einem Einbruch der Wirtschaft im zweiten Quartal von 30 Prozent aus; Goldman Sachs erwartet ein Minus von 24 Prozent (Quelle: Bloomberg).

Allerdings sind die USA eine wesentlich geschlossenere Wirtschaft als andere Länder (also wesentlich weniger vom Außenhandel abhängig). Auf der Haben-Seite müssen wir festhalten, dass der US-Dollar die Leitwährung für den globalen Handel und vor allem für die Finanzierung von Staaten und Unternehmen ist. Und der US-Dollar wird aufgrund der Stützungsmaßnahmen durch die amerikanische Notenbank aufwerten. Das wird vor allem Entwicklungsländer in Mitleidenschaft ziehen. Falls es China gelingt, sich – und damit die Pazifik-Region – zu stabilisieren, wird dies den Einfluss der Wirtschaftsmacht USA noch schneller untergraben als es alle Handelskriege Donald Trumps vermochten.

Auswirkung auf die Finanzmärkte

Die Finanzmärkte reflektieren in ihren Preisen immer die Zukunft. Und wir alle tun uns momentan schwer, die Zukunft zu quantifizieren. Es gibt einfach zu viele Variablen, die aufeinanderprallen. Deshalb auch der völlig panikartige Abverkauf von – allem. In sechs Monaten wissen wir wahrscheinlich, welche Preise, die wir heute sehen, tatsächlich billig waren und welche prophetisch eine düstere Zukunft vorhersagten.

Die gegenwärtige Krise traf die globalen Finanzmärkte abrupt – mit dramatischen Kursverlusten innerhalb kürzester Zeit (siehe unseren letzten Blogbeitrag). Eine Konsequenz der Kapitalvernichtung an den Aktienmärkten war, dass damit Notverkäufe ausgelöst wurden: alles, was liquide war wurde in ein paar Tagen zu Geld gemacht. Dadurch waren die vergangenen zwei Wochen auch für konservative Investoren ungewöhnlich schmerzhaft: Denn auch alle traditionell als sichere Anker angesehenen Anlagen wurden abverkauft – das waren insbesondere Staatsanleihen und Gold.

Anpassungen in den Savity-Strategien

In normalen Marktphasen erfolgt die Optimierung der Strategien und damit die Portfoliozusammensetzung rein systematisch: Unsere Systeme und Modelle bestimmen auf Basis der aktuellen Marktdaten sowie historischer Daten, in welche Anlageklassen (Aktien, Anleihen etc.) und Märkte investiert wird. Bei außergewöhnlichen Marktereignissen funktioniert dieser modellgetriebene Ansatz jedoch nicht: Der Computer kann – vereinfacht gesagt – auf keine entsprechenden Ereignisse aus der Vergangenheit zugreifen, aus denen er Schlüsse ziehen kann. Dies ist aktuell der Fall oder zuletzt im September 2008 in Folge des Zusammenbruchs von Lehman. In solchen Phasen werden Anlageentscheidungen daher verstärkt von unserem Asset-Management-Team getroffen.

Unterstützt werden alle Anlageentscheidungen durch das Risikomanagement, das die Volatilität jedes einzelnen Portfolios überwacht. Es schlägt aus, sobald das vorgegebene Risikobudget droht überschritten zu werden. Das Risikomanagement basiert auf Wertschwankungen („Volatilitäten“) von Kursen und ist damit unabhängig von Marktphasen. Es gibt der Optimierung (bzw. im derzeitigen Umfeld dem Asset-Management-Team) vor, dass das Anlagerisiko gesenkt werden muss (oder aber wieder zu erhöhen ist) und löst damit Umschichtungen aus.

Vor diesem Hintergrund möchten wir in der Folge nun darauf eingehen, wie die Savity-Strategien in dieser schwierigen Phase angepasst wurden und welche Überlegungen dahinterstecken.

Portfolioanpassungen seit 2018
Quelle: eigene Berechnung

Nach Ausbruch der Krise wurden aufgrund der erhöhten Volatilität Aktienpositionen und Rohstoffpositionen gemäß den Modellvorgaben reduziert. Dabei wurden als erstes alle Aktien von kleinen Wachstumsunternehmen (sogenannten „Small Caps“) verkauft, die in einer Krise naturgemäß am verwundbarsten sind. In einem weiteren Schritt wurde dann disproportional viel US-Risiko aus den Portfolios genommen: Einerseits weil US-Unternehmen sehr hoch fremdfinanziert sind, was zwar die Eigenkapitalrentabilität (künstlich) erhöht aber in Krisen-Zeiten ein erhöhtes Risiko darstellt; zum anderen weil die Regierung der USA unserer Meinung nach viel zu spät die Tragweite von Corona erkannte.

Vergangene Woche wurden von den Risikomodellen weitere Verkäufe ausgelöst: noch einmal wurde vom Asset-Management-Team eingegriffen, indem sämtliche noch verbleibenden Immobilien- und Infrastrukturaktien verkauft wurden. Normalerweise sind dies höchst defensive Sektoren, die in Krisenzeiten stabilisierend wirken. Wir sind der Meinung, dass das Coronavirus den Verkehr und den internationalen Handel mittelfristig unterminieren wird, gleichzeitig gab es ja den Ölkrieg, den Russland und Saudi-Arabien anzettelten, und der vor allem die Öl-Schiefer und Fracking-Industrie der USA treffen wird. All das bedeutet Einbrüche am Infrastruktursektor. Immobilien wiederum sind gegenwärtig stark fremdfinanziert und wir sind besorgt, ob die Liquiditätsversorgung mit zum Teil spekulativ hohen Kreditquoten, bei fallenden Mieteinnahmen (insbesondere Einkaufszentren, Hotels etc.) nicht Verwerfungen auslösen könnte.

Es ergibt sich nun in den Savity-Strategien ein Bild, wie wir es seit der Großen Finanzkrise 2008 nicht mehr sahen: Risikoallokationen wurden mittlerweile auf absolutes Krisenniveau zurückgesetzt. Die heutige Zusammensetzung unterscheidet sich allerdings dennoch stark von 2008: In der Regel werden in Krisen nur mehr Allokationen in Kernmärkten behalten, während sogenannte „Satelliten” verkauft werden. Aufgrund der zeitlichen Abfolge in der globalen Ausbreitung des Coronavirus wurden Schwellenmärkte diesmal schon früher reduziert, als sich Industriestaaten noch immun glaubten. Daher blieben die Allokationen in Schwellenmärkten und Asien (dabei haben China, Hongkong, Taiwan und Korea jeweils einen Anteil von 55 bis 75 Prozent) aufrecht. Die Investitionen in (weiterhin recht hoch bewertete) Technologieaktien wurden beibehalten, da sie robustere Geschäftsmodelle als die traditionellen Sektoren aufweisen und darüber hinaus wesentlich niedriger fremdfinanziert sind.

In den risikoaversen Portfolioteilen (Staatsanleihen, Wandelanleihen, Gold) wurden seitens des Asset-Management-Teams keine Eingriffe vorgenommen, da die Verluste primär darin begründet sind, dass die Märkte in Panik Liquidität suchten und alles abverkauft wurde. Wir erwarten hier Stabilisierung, ja sogar kurzfristig die Möglichkeit leichter Kursgewinne.

Eine weitere Reduktion von Risikopositionen ist in Anbetracht der gegenwärtig in den Positionen bereits reflektierten hohen Volatilitäten nicht zu erwarten. Eine Bodenbildung, die typischerweise dann mit hoher Wahrscheinlichkeit eintritt, wenn die Kursschwankungen sich signifikant verringern, ist für das Risikomanagement der Auslöser die Risikoallokationen (insbesondere Aktien) wieder zu erhöhen. Absolute Kursniveaus spielen hingegen keine Rolle.

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